In meinem letzten Blogbeitrag hatte ich einen Vorschlag gemacht: Anstatt an Ländergrenzen festzuhalten, richten Sie den gemeinsamen Kompass auf Nutzen und Wirkung für den Kunden aus. Ich bin überzeugt: Mit diesem Kompass purzeln Grenzen ganz leicht. Doch wie ändern Sie das System konkret?
Dabei denke ich übrigens nicht nur an die Ländergrenzen, sondern auch an Bereiche oder Abteilungsgrenzen innerhalb eines Unternehmens. Denn genauso, wie es Aufgaben gibt, die über Ländergrenzen hinweg am besten bearbeitet werden, gibt es auch Querschnittsleistungen, die von mehreren Abteilungen gemeinsam erbracht werden. In Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung ist gerade in der Geschäftswelt nichts mehr simpel und klar strukturiert. Hierarchische Strukturen weiche Prozessen. Kompetitive Organisationsformen werden durch Formen der Zusammenarbeit ersetzt. Auch deshalb ist es sinnlos, die Herausforderungen der Unternehmen mit Abteilungsdenken lösen zu wollen.
Räume ohne Wände
Auch in der OSTHUS GmbH haben wir die Strukturen den Anforderungen angepasst. Unsere Kernprozesse unterscheiden wir vom Kunden her gedacht in Consulting, Solutions und Services. Es gibt aber Mitarbeiter, die in zwei oder sogar allen drei dieser Bereiche arbeiten – weil sie zu allen etwas beizutragen haben. Doch damit nicht genug: Es gibt auch Querschnittsthemen, die am besten von den Kollegen in einem unserer Standorte in den USA oder China unterstützt oder geführt werden. Außerdem arbeiten wir mit Partnern zusammen, die gleichzeitig auch – zumindest zum Teil – unsere Wettbewerber sind. Warum sollten wir das Rad auch neu erfinden? Schließlich geht es um die Maximierung des Nutzens und nicht des eigenen Profits.
Eine Situation, in der Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen nur stören. Wie wir diese Situation gelöst haben? Mit einem Raumkonzept. Damit meine ich nicht eine Verschönerung der Büroräume nach Feng Shui. Ich meine damit überhaupt gar nicht die Büroräume. Mit einem Raum meine ich ein virtuelles Gebilde der Zusammenarbeit, um Nutzen zu erschaffen, das dauerhaft im Unternehmen vorhanden ist oder nach einer gewissen Zeit wieder geschlossen wird, wenn es nicht mehr gebraucht wird.
Diese Räume haben keine starren Grenzen wie physische Räume. Sie sind nicht „besitzgetrieben“ wie Abteilungen mit festen Zugehörigkeiten. Nein, sie lassen sich beliebig erweitern oder reduzieren, sie sind lebendig und verändern sich mit den Anforderungen des Marktes und der Kunden.
Wenn Sie Abteilungen durch solche Räume ersetzen, füllen Mitarbeiter sie mit Leben. Sie finden sich immer dann zusammen, wenn sie in einem Raum etwas miteinander zu tun oder zu besprechen haben. Soll heißen: Jeder kann rein und raus, wie es eben nötig. Und wenn es etwas anderes zu tun gibt, finden sie sich mit anderen Mitarbeitern in einem anderen Raum zusammen. Wohlgemerkt: ein anderer Themen-Raum, kein anderes Büro im Gebäude.
Wenn Sie sich von Ihrer bisherigen Definition von Raum lösen, wird die Arbeitsweise völlig unabhängig von Abteilungen oder Ländern, sondern bezieht sich auf eine bestimmte Leistung, einen bestimmten Nutzen, der gerade für den Kunden erbracht werden soll. Und Teil des Raumes sind diejenigen Mitarbeiter, die am meisten dazu beitragen können. Darum ist es auch egal, wo dieser Raum, dieser Aufgabenbereich in der offiziellen Unternehmensstruktur aufgehängt wäre.
Teilnahme auf freiwilliger Basis
Wichtig ist hierbei eines: Die Mitarbeiter entscheiden selbst, welchen Räumen sie sich zuordnen. Sie entscheiden sich für einen Hauptraum – also die Aufgabe, zu der sie am meisten beitragen können – und treten je nach Interessen, Bedarf und Kompetenzen auch noch anderen Nebenräumen bei. So können sie sich ganz situationsabhängig frei zwischen den Räumen bewegen.
Dies fördert und bewirkt mehr Eigeninitiative, weil die Mitarbeiter plötzlich über ihren „persönlichen Schulungsweg“ entscheiden können, weil kein Personalentwickler oder Chef sie in eine bestimmte Richtung drängt oder zurückhält. So sind Mitarbeiter eher bereit, zur Veränderung beizutragen und Verantwortung zu übernehmen – für die Sache und auch für sich selbst. Und zwar mit allen Konsequenzen. Wenn der Chef aber bestimmt, in welchem Raum sie sein müssen, fällt ihnen das schwerer – oder sie sind sogar nicht entsprechend ihrer Talente und Fähigkeiten eingesetzt und können bei der Aufgabe vielleicht gar keinen Nutzen stiften.
Bye bye, Ländergrenzen
Sehen Sie nun, wie ein solches Raumkonzept auch die Ländergrenzen auflösen kann? Räume sind fiktiv, deshalb können sie auch virtuell entstehen. Natürlich erfordert es ein gewisses Maß an Abstimmung, wenn Mitarbeiter aus den USA und aus Deutschland einen gemeinsamen Raum betreten möchten. Aber die heutigen Technologien machen es möglich. Und es ist immer noch ein viel geringerer Aufwand, als wenn die Mitarbeiter erst feste Abteilungs-Mauern einreißen oder darum kämpfen müssten, dass sie mit dem Kollegen auf der anderen Seite der Ländergrenze sprechen und zusammenarbeiten können.