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MIT DER GEBETSMÜHLE AUF KURS HALTEN

Was braucht der Seemann zum Kurshalten? Richtig, den Kompass. Ihre Mitarbeiter brauchen jedoch keinen Kompass, sondern eine Gebetsmühle – und diese Rolle übernehmen am besten Sie als Führungskraft.

Warum das so wichtig ist, zeigt sich in der Praxis immer wieder. So auch im folgenden Fall:
Das neue Projekt war perfekt im Team eingeführt worden. Jeder hatte einen Überblick erhalten, einen Ablaufplan, Details zu seinen Aufgaben und eine Zielvorgabe. Außerdem sollten die Teammitglieder mehr Spielraum und Verantwortung bekommen, um die Effektivität des Team zu steigern: Jeder im Team sollte im Rahmen seiner Aufgaben ohne Rücksprache mit den Führungskräften selbst entscheiden dürfen. Es war ein Experiment – das Experiment „Empowerment“.

Einen Monat später war es Zeit für den ersten Zwischenbericht. Das Fazit war ernüchternd: Das Projekt hatte sich in fast völliges Chaos aufgelöst. Die Softwareentwickler hatten Basisfunktionen überarbeitet, statt die geplante Neuentwicklung anzupacken, das Marketing hatte sich beim Ausarbeiten der Vermarktungsstrategie nicht mit den anderen Teammitgliedern abgestimmt und die Einkäufer hatten Zulieferer angefragt, die schon beim letzten Projekt versagt hatten. Als den Teammitgliedern beim Meeting klar wurde, dass sie in die falsche Richtung gerudert waren, endete das in einer wahren Rechtfertigungsorgie.

Das Projekt glich einem sinkenden Schiff, von dem sich die Teammitglieder jeder im eigenen Rettungsboot abgesetzt hatten. Wie konnte das passieren? Der Chef war entsetzt. Und seine Reaktion war nur allzu verständlich. Er zog sofort die Zügel fest an. Alle Entscheidungen sollten nun wieder über seinen Schreibtisch laufen. Die Teammitglieder arbeiteten wieder nach seinen detaillierten Anweisungen. Das Projekt konnte dann doch noch abgeschlossen werden. Das Experiment „Empowerment“ war allerdings gestorben.

Schade!

Ich habe meine Lehre aus solchen Schiffbrüchen gezogen. Meine Erfahrung ist, dass die Mitarbeiter, die mit mehr Vollmacht und Verantwortung ausgestattet werden, trotzdem Führung brauchen. Sie verlieren nämlich auch weiterhin leicht die Orientierung, wenn es um das große Ganze geht. Zielvorgaben bleiben für Mitarbeiter, die nur ihren Teil des Projekts gut kennen, immer ein Stück weit abstrakt. Darum brauchen Sie Unterstützung, wenn es darum geht, auch an die anderen Teile des Projekts zu denken und die Projektphasen und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Was ich dann anders gemacht habe, um das zu gewährleisten? Nun, ich wurde gewissermaßen zur Gebetsmühle: „ Denken Sie dran, das Ziel ist … Für Sie bedeutet das, dass Sie zuerst … Wie wollen Sie da ran gehen? O.K., weiter so! Und nicht vergessen: Unser Ziel ist … Das Ziel ist … Ihre Ziele sind … Unsere Ziele sind … Denken Sie an das große Ziel: …“

So blieb ich am Projekt dran, ohne mich ständig mit den Details zu befassen und die Mitarbeiter hatten die nötige Führung. Eine Führung, die nicht Vorgaben macht, auf welchem Weg die Projektziele erreicht werden, sondern sozusagen Leitplanken aufstellt innerhalb derer die Teammitglieder sicher agieren können.

Aus der Perspektive der Führungskraft kann es schon erstaunlich sein, wie schnell im Team Zielvorgaben und Zeitrelationen in Vergessenheit geraten. Wenn Sie da in die Rolle des treuen Mahners schlüpfen, ohne Ihre Mitarbeiter für Ihre mangelnde Weitsicht zu verurteilen, wird auch das Empowerment gelingen. Die Mitarbeiter werden verantwortungsvoll entscheiden, ihren Aufgabenbereich mit Weitsicht organisieren und mit viel Motivation an der Sache arbeiten.

Also: Gebetsmühle einschalten und laufen lassen, bis das Projekt durch ist – es lohnt sich.

Herzlichst

Ihr Torsten Osthus

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