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FÜHRUNG MIT ANTENNE ODER COLT?

Kakteen, Staub und Eidechsen kreuzen den Weg, die Sonne geht unter: Zwei Silhouetten reiten am Horizont aufeinander zu. Einer der Cowboys bleibt stehen und greift instinktiv zur Waffe, da der andere ja gefährlich sein könnte – er will sich schützen. Auch der andere greift zum Colt – er fühlt sich angegriffen.

Solche Western-Szenen gibt es im übertragenen Sinne auch in vielen Büros. Glauben Sie nicht? Doch. Sie haben sicher schon einmal erlebt, dass Mitarbeiter ablehnend, unwillig oder sogar aggressiv reagiert haben. Wenn Mitarbeiter auf Konfrontation gehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie das nicht aus Streitlust tun, sondern weil sie sich von Kollegen oder nicht selten auch vom Chef provoziert fühlen. Es handelt sich also um eine Reaktion. Oft ist jedoch nicht klar, was der auslösende Moment war.

Vielleicht sogar eine vermeintlich harmlose E-Mail:

„Guten Morgen Herr Müller,

ich bin heute den ganzen Tag in Terminen. Bereiten Sie bitte für die morgige Präsentation beim Vorstand die Budgetübersichten für das Projekt 981 und die entsprechenden Charts vor. Besten Dank.

Gruß KL“

Wenn Herr Müller diese Aufgabe ohne größere Probleme und zeitliche Engpässe in sein Tagesgeschäft integrieren kann oder die Präsentation schon mehrfach erstellt hat, ist das sicherlich kein Problem. Aber was wenn nicht? Was ist, wenn Herr Müller wichtigere und dringendere Themen bearbeiten muss oder er die delegierte Aufgabe nicht versteht? Dann machen sich bei ihm Panik, Angst, Verzweiflung oder Resignation breit; auf der anderen Seite möchte er den Chef aber nicht enttäuschen, da dieser ihm die Aufgabe ja zutraut. Fragen will Herr Müller auch nicht, der Chef ist heute im Terminstress. Es ist also keiner da, der ihm Hilfestellung geben kann. Was genau ist die Erwartung? Wo bekommt er die Infos her? Was sind die aktuellsten Zahlen?

Es braucht kein Orakel, um vorherzusehen, dass das Selbstvertrauen einen Knacks bekommen wird. Spätestens dann, wenn der Chef vom Ergebnis enttäuscht sein oder verärgert reagieren wird. Und dies ist nicht unwahrscheinlich bei der Ausgangssituation …

Derartige Situationen kommen häufiger vor, es spricht nur keiner darüber, denn auf den Managementebenen sind solche „weichen“ Themen nicht gefragt, da wird geliefert. All dies mag Herrn Müller durch den Kopf gehen, der Frust hat sich bei ihm vielleicht schon breit gemacht, bevor er mit der Aufgabe angefangen hat.

Unabhängig vom Ergebnis dieses Auftrags, prägt so ein Erlebnis einen Angestellten. Manche Mitarbeiter verfallen sogar in eine Grundangst, dass so etwas wieder passieren könnte und werden unsicher. Andere fühlen sich im Stich gelassen oder sind einfach nur genervt von der Führungskraft. Bei jeder neuen Aufgabe steht der Mitarbeiter unter Umständen sofort wieder unter Strom. Hat der Chef ihn auf dem Kieker? Das sind keine guten Voraussetzungen für ein gutes Betriebsklima.

Jetzt mögen Sie denken, dass diese E-Mail an Herrn Müller doch harmlos war. Die Führungskraft wird sich schon etwas dabei gedacht haben, die Aufgabe an Herrn Müller zu übertragen. Aber stimmt das wirklich? Führt der Zeitdruck nicht manchmal dazu, dass Sie Aufgaben kurz und knapp delegieren, ohne sie mit den Mitarbeitern zu besprechen, und dass Sie gar keine Zeit haben, intensiv darüber nachzudenken?

Es ist so: Ohne es zu merken, sagen Vorgesetzte häufig Dinge, die ihre Mitarbeiter in Panik versetzen. Dabei ist es doch eigentlich die Aufgabe des Chefs, den Mitarbeitern Sicherheit zu geben.

Wie das im stressigen Führungsalltag funktioniert? Fahren Sie Ihre Antennen aus und nehmen Sie Ihre Mitarbeiter wieder bewusster wahr. Sensibilisieren Sie sich darauf, Stress oder Überforderung bei Ihren Mitarbeitern zu erkennen. Da helfen keine Seminare oder jahrelange Führungserfahrung. Ihre Wahrnehmung und Ihre Haltung zu Ihren Mitarbeitern sind ausschlaggebend.

Die Entwicklungsgespräche, die in Unternehmen häufig ein- bis zweimal im Jahr stattfinden, reichen da nicht aus. Sie könnten jedes Gespräch mit Ihren Mitarbeitern als Entwicklungsgespräch ansehen. Bei jedem Kontakt erfahren Sie etwas über Ihren Angestellten, wo er steht, wie er sich fühlt, welchen Wissenstand er hat, ob und wo er Unterstützung braucht …

Herrn Müller hätte es geholfen, wenn der Chef kurz vorbei gekommen wäre und ihm die Aufgabe persönlich übertragen hätte. Schnell wäre ersichtlich gewesen, was er noch benötigt hätte, um die Aufgabe zu bewältigen. Und ein einfaches, aber wertschätzendes: „Was brauchen Sie noch?“, hätte Herrn Müller die Möglichkeit eröffnet, Fragen zu stellen und ihm Sicherheit gegeben.

Ob internationale Unternehmen wie Siemens, Bosch oder Mercedes Benz,  Mittelständler oder kleinere, regional agierende Firmen. Es kommt nicht auf die Größe des Unternehmens oder die Führungsspanne an. Es liegt an Ihnen persönlich, wie wichtig Sie das Thema Mitarbeiterentwicklung machen! Holen Sie Ihre Mitarbeiter ab, wenn Sie Dinge delegieren – auch unter Zeitdruck. Ihre Einstellung zu Ihren Mitarbeitern wirkt sich auf das Ergebnis aus und bestimmt den Erfolg Ihres Teams.

Und wenn Sie mir nun sagen, dass Sie sich diese Zeit für Ihre Mitarbeiter nicht aus den Rippen schneiden können. Glauben Sie mir: Die Welt besteht nur aus Prioritäten. Und Sie entscheiden!

Herzlichst
Ihr Torsten Osthus

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